Ein angefressener Fahrradfahrer, in Dawson kennengelernt, berichtete uns zum ersten Mal vom Great Divide Trail – 5000 km von Kanada zur mexikanischen Grenze. Ein Trail fuer Mountainbikefreunde, die ihre Ueberlebenskuenste in der Wildnis testen wollen! Angespornt diese neue Herausforderung (unser erster Biketrip) anzunehmen, machten wir uns in Calgary auf die Suche nach zwei second hand Bikes. Ein Sammler aus Rumaenien entpuppte sich als Volltreffer – zwei alte Bikes, Helme, Seitentaschen und Lichter fuer glatte 400 kanadische Dollar haben wir ergattert. Nach vier Tagen Planung geht unsere erste Testfahrt los; von Calgary nach Banff zum Trailhead. Kaum zu glauben, die Drahtesel machen sogar mit.
Nun geht’s los, ab in die Wildnis. Wir werden beschenkt mit wunderschoenen, glasklaren Bergseen, taeglichem Sonnenschein und Waelder so weit das Auge reicht. Nur unsere Koerper sind sich an taegliche sieben Stunden Raddeln nicht gewohnt – Tim schmerzen die Kniee und Andrea die Schulter. Ob das wohl gut gehen wird? Auch der Wetterbericht laesst uns zweifeln, ob wir jemals ans Ziel kommen werden. Es ist bereits Wintereinbruch in Kanada und Montana gemeldet. Oh weia, wir wollen nicht eingeschneit werden und geben nochmehr Gas.
Nach 235 Meilen und 6 Tagen erreichen wir die amerikanische Grenze. Die Freude ist riesig, die Fuedlis schmerzen und wir geniessen den Gratiscampingplatz in Eureka. Die kommenden Tage in Montana stellen sich als wahrscheinlich die eindruecklichsten des ganzen Trails heraus. Wir kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus und obwohl wir uns jeden Tag ueber Paesse abmuehen, sind wir zufrieden und geniessen die goldig farbigen Herbstbaeume und die Schoenheit der offenen Praerie um uns herum. Nur die immer wieder auftretenden Fahrradprobleme sorgen fuer Aerger; ein Velomechkurs hat naemlich keiner von uns besucht und auch das Plattenflicken soll gelernt sein. Gluecklicherweise scheinen sich unsere Koerper mit ihrem Schicksal abgefunden zu haben, es tut uns nicht mehr immer nur weh, nein, wir koennen’s langsam geniessen.
Am 24. Tag mit 1000 Meilen auf dem Ruecken erreichen wir Wyoming. Hier machen wir einen Abstecher in den Yellowstone Nationalpark und mieten fuer einen Tag ein Auto. Herrlich, es regnet, doch wir werden nicht nass!  Die vielen Touristen, die mit ihren Autos durch den Park fahren, daempfen fuer uns das Erlebnis etwas; so sind wir uns vom Trail her gewohnt die einzigen Menschen zu sein. Nichtsdestotrotz sind die broddelden Quellen einzigartig und wir geniessen unseren Day-Off. Die folgende Nacht entpuppt sich als muehsamste ueberhaupt – es regnet in Stroemen und genau dann faellt das Gestaenge unseres Zeltes zusammen. Wir liegen im Nassen und Fluchen. Nach zwei Stunden Reparatursession startet der zweite Schlafversuch erfolgreich. Am folgenden Tag geht’s wieder auf’s Fahrrad, damit wir ja daran gewohnt bleiben. Der Trail fuehrt uns weiter nach Idaho bis nach Colorado. Am selben Tag als wir in Colorado ankommen, feiern wir Tim’s 28. Geburtstag. Wir erreichen die gebuchte Ranch mit Whirlpool kurz nach Einbruch der Dunkelheit. Gefeiert wird mit Pizza, Rotwein und Schnaps. Da muss nicht erklaert werden, warum wir das Aufstehen am naechsten Morgen nicht wie sonst um Fuenf, sondern erst um Acht zustande gebracht haben. Schockiert realisieren wir, dass draussen alles weiss ist! Unsere schlimmste Befuerchtung ist eingetroffen, wir befinden uns auf 2000m und sind eingeschneit. Da wuerden wir gerne unsere Raeder mit Snowboards eintauschen. Voller Optimismus wagen wir die Weiterfahrt ueber den vorunsliegenden Pass nach Steamboat Springs. Doch die Fahrt entpuppt sich ab der ersten Kurve mehr als einen Marsch durch Schneematsch. Der Matsch verklemmt unsere Raeder und nur noch Tragen koennte helfen. Doch die Drahtesel sind so vollbepackt dafuer definitiv zu schwer, also entscheiden wir uns fuer einen Rueckzug. Wir schieben unsere Raeder ins Tal und verbringen den Rest des Tages auf einer Ranch mit Cowboys und Cowgirls. Tagsdarauf wagen wir die Weiterfahrt ueber den etwas tiefer gelegenen Pass und erreichen ohne groessere Schneemengen den Gipfel. Die Abfahrt erinnert uns an einen Tag auf der Skipiste, wir sind mit allem was wir haben eingepackt und rund um uns herum ist alles weiss. Als wir Stunden spaeter Steamboat Springs erreichen, fuehlen wir uns erschoepft aber total zufrieden. Nach drei Tagen Zwangspause setzen wir unsere Reise fort, der Schnee ist schon wieder geschmolzen und wir schaffens ohne grosse Probleme ueber die folgenden Paesse.
Am 44.Tag erreichen wir endlich New Mexico. Wir haben nun das Gefuehl, das Schwierigste hinter uns zu haben und sehen bereits das Ende vor Augen. Doch stellen wir bereits kurz nach der Grenze fest, dass die Strassen eher aus Steinen als aus fahrbarem Terrain bestehen. New Mexico stellt sich als einer der anstrengsten Staaten heraus; neben den Wegen bei welchen das Rad oft nur noch geschoben werden kann, macht uns auch die Hitze zu schaffen. Der Trail fuehrt uns ueber wunderschoenes Wuestengebiet, da sind wir tagelang alleine zwischen Kakteen und eindruecklichen Canyons. Die Schuhe muessen vor dem Anziehen morgensfrueh zuerst ausgeschuettelt werden, anscheinend koennen Skorpione sonst fuer einen Schrecken sorgen. Auch sind es nun nicht mehr die Baeren, von welchen wir uns in der Nacht fuerchten, sondern Schlangen. Aber so weit so gut, wir kommen heil davon.
Nach 56 Tagen, 332 Fahrstunden und 2795 Meilen erreichen wir schlussendlich die mexikanische Grenze. Wir freuen uns bereits aufs Ausschlafen, Ausruhen und auf das Gefuehl, die Herausforderung geschafft zu haben!
Yipiieeyeah